galerie imaginaire
Bernhard Nürnberger
figürliche materialassemblagen
gryllen_text
Malte Wienebüttel
In der Kunst der Antike sind Gryllen (grylloi) Bilder oder Skulpturen monströser Gestalten. Der Begriff gryllos ist griechisch. Diese Motive finden sich auch in der etruskischen, ägyptischen, alt-orientalischen, skytischen, in der römischen Kunst häufig bei Gemmen. In der Kunst der Gotik gehören sie zum Repertoire der Illuminationen von Klosterhandschriften und in der Architekturplastik und -malerei. Hier werden sie als "Drolerien" bezeichnet.
In der Italienischen Renaissance wird die Entdeckung der "Grotesken" in der Domus Aurea des Kaisers Nero zum wichtigen Impuls für viele bildende Künstler. Die Maler Hieronymus Bosch und Giuseppe Archimboldo werden in ihrer Zeit pictor gryllorum genannt.
Nach Plinius d. Ä. leitet sich der Name Gryllos ab vom griechischen Maler Antiphilos: ... "er malte auf lustigen Bildtafeln einen als Gryllos bezeichneten Figurentypus von lächerlicher Erscheinung. Daher werden diese Malereien grylloi genannt." (nach Hammerstädt, 2000)
Horaz nennt sie Gebilde, bei denen nicht Kopf und nicht Fuß derselben Gestalt angehören, so nichtig wie Träume von Kranken, Antiphilos malte scheußliche Götter, verworrenes Gezücht und den Kläffer Anubis von ausländisch-ägyptischer Erscheinung.
Vitruv schreibt: Antiphilos malte lieber Ungeheuerlichkeiten als naturgetreue Nachbildungen.
So etwas gibt es nicht, kann es nicht geben, hat es nie gegeben.
Vasari über Leonardo: Er malte Erschreckendes durch verschieden Zusammenstellungen
von grässlicher Erscheinung.
Vasari über Michelangelo: Er malte in der grotesken Manier terribilità ausstrahlende Bilder mit Gestalten von genialer Erscheinung, die er finto e favoloso nennt.
Goethe über Hieronymus Bosch: Er malte verwirrende Bilder willkürlich verwebter Gestalten.
Bernhard Nürnberger fertigt Assemblagen aus Materialen unterschiedlicher Art und Herkunft um sie zu malen. Sie haben die Gestalt menschlicher Körper, die zuweilen figürliche Tafelbilder und Skulpturen zum Vorbild haben. Im Laufe der Jahre haben sie sich zu eigenständigen Werken verselbständigt, zu Gryllen. Ausgehend vom Begriff gryllos bei Plinius erfindet er für seine Assemblagefiguren kunstgeschichtliche Genealogien.
Assemblagekunst wird zur ars gryllorum. In den Regalen der Bibliothek der UdK Berlin findet die Grylle „Lorna“ ihre fiktionale Herkunft gespeichert.
Das Buch „Der Gryllenkäfig“ dokumentiert diese Tätigkeit als ästhetisches Forschungsprojekt.
(zitiert nach Veröffentlichung der Bibliothek der Universität der Künste, Berlin)